INTERVIEW: „WIR HABEN GEMACHT, WAS MAN IN EINER RICHTIGEN FAMILIE AUCH MACHT …“

Die 24-jährige Tamara hat seit dreizehn Jahren eine ehrenamtliche „Patentante“, die ihr vom Kölner Kreidekreis vermittelt wurde. Was ihr die Patenschaft beim Erwachsen-Werden bedeutet hat, erzählt sie uns in diesem Interview.

Tamara, kannst Du uns kurz berichten, wann und warum Du in ein Kinderheimgekommen bist?

Meine Eltern haben sich getrennt, als ich vier Jahre alt war. Mit meiner Mutter bin ich aus der Schweiz nach Deutschland gezogen, da war ich zehn Jahre alt. Mit ungefähr zwölf Jahren kam ich in ein Kinderdorf, weil meine Mutter nicht mehr weiterwusste.

Wie hat sich dann der Kontakt zum Kölner Kreidekreis ergeben?

Meine Kinderdorfmutter hat mir das vorgeschlagen: Sie meinte, eine Art Patentante, die ich regelmäßig treffen könnte, wäre eine gute Unterstützung für mich. Der Kreidekreis hat mir dann Corina vorgestellt, die zu einem ersten Besuch zu mir ins Kinderdorf kam. Sie war bei unserem ersten Treffen schwanger …

War das komisch für Dich?

Nein, gar nicht. Ich fand das toll, denn ich war Einzelkind und wollte immer Geschwisterhaben. Inzwischen hat meine Patentante zwei Kinder – und ich bin ein richtiger Teil derFamilie geworden.

Wie oft habt Ihr Euch getroffen, washabt Ihr so gemacht?

In den ersten Jahren teilweise jede Woche, mindestens alle zwei Wochen. Wir haben ganz normale Sachen gemacht: Ich hab sie zu Hause besucht, wir haben geredet, Gesellschaftsspiele gespielt. Manchmal sind wir zum Bäcker und haben Kuchen gegessen, ein anderes Mal waren wir im Zoo.

Wir haben auch Stadtfeste und Weihnachtsmärkte besucht, sind zum Beispiel im Siebengebirge gewandert und haben den Drachenfels bestiegen. Was man halt in einer richtigen Familie so macht.

Hat Dich Deine Patentante auch in der Schule und Ausbildung unterstützt?

Ja! Corina hat schon früh mit mir Schulaufgaben gemacht und mich ermutigt, den Realschulabschluss und danach das Fachabitur zu machen. Späterhat sie mir bei Bewerbungen geholfen. Durch ihre Hilfe habe ich sehr viel geschafft. Heute arbeite ich in einer kardiologischen Praxis und stehe auf eigenen Beinen.

Und inzwischen bist Du verheiratet …

Seit ungefähr einem Jahr, das macht mich sehr glücklich. Es ist das eingetroffen, was ich mir als Kind immer gewünscht habe: eine eigene richtige Familie. Auch wenn wir jetzt selbst noch keine Kinder haben, aber wir sind ja noch jung …

Was war Deine schönste Erfahrung in der Patenschaft?

Definitiv Weihnachten! Für Kinder ist das ja das schönste Fest. Als ich klein war, war Weihnachten für mich nicht so toll. Aber bei meiner Patentante, die an Heiligabend Geburtstag hat und immer viele Leute einlädt, fühlte und fühle ich mich im Rahmen dieser Feiern immer willkommen und superwohl.

Würdest Du selbst vielleicht auch einmal ein Patenkind übernehmen?

Das kann ich mir gut vorstellen. Jedes Kind hat es doch verdient, Liebe und Unterstützung im Leben zu bekommen. Das Leben hat viele Hürden, aber mit einer Patenschaft wird vieles leichter!

Unsere Patenkinder dürfen sich ja vor Beginn einer Patenschaft immer ausmalen, wieder Pate oder die Patin so sein soll. Wie hast Du Dir Deine Patin vorgestellt?

Ich wollte eine Frau haben und hab mir am Anfang gewünscht, dass sie eine große Familie und Kinder hat – und dass sie musikalisch ist. Ich habe als Kind supergern Klavier gespielt, und wie es der Zufall wollte, spielt auch der Mann meiner Patentante Klavier. Er hat mir viel gezeigt.

Wie häufig siehst Du Deine Patentante heute noch?

Nicht mehr so oft wie früher, und wir telefonieren auch nicht mehr jeden Tag. Aber der Kontakt ist weiterhin da, ich kann sie immer anrufen, und sie war natürlich auch auf meiner Hochzeit. Ich glaube, wenn eine Patenschaft einmal gefestigt ist, wird sie nie zu Ende gehen.

Vielen Dank, liebe Tamara, für die tollen Einblicke in Eure Patenschaft!