Junger Mann, in sich gekehrt

AKTION MENSCH FÖRDERT NEUES CARELEAVER-PROJEKT FÜR FÜNF JAHRE

Die Aktion Mensch fördert das neue „Careleaver“-Projekt des Kölner Kreidekreises mit 300.000 Euro über fünf Jahre. In dem Projekt knüpft der Verein Patenschaften zwischen Careleavern und ehrenamtlich tätigen Erwachsenen als Patinnen und Paten. Careleaver sind junge Menschen, die mit der Volljährigkeit das System der Kinder- und Jugendhilfe verlassen müssen. Sie stehen vor der Herausforderung, sich beim Weg in die Selbstständigkeit nicht auf den Rückhalt einer Familie oder anderer Vertrauensmenschen stützen zu können.

Die Aktion Mensch fördert fünf Jahre lang mit 60.000 Euro jährlich, in Summe bis zu 300.000 Euro, das neue Patenschaftsprojekt des Kölner Kreidekreises e. V.: die Anbahnung, Vermittlung und Begleitung von Patenschaften zwischen „Careleavern“ und ehrenamtlich tätigen Erwachsenen als Patinnen oder Paten.

„Careleaver sind junge Menschen im Alter von etwa 16 bis 27 Jahren, die in stationären Einrichtungen der Jugendhilfe leben und diese mit der Volljährigkeit verlassen und einen eigenen Haushalt gründen müssen“, erläutert der Vorstandsvorsitzende des Kölner Kreidekreises, Thomas Preuß. „Sie haben in ihrer Kernfamilie und im Freundeskreis zumeist keinen Rückhalt, der sie dabei unterstützt.“ Careleavern fehlten in der Regel erwachsene Ansprechpartner außerhalb des Systems der Jugendhilfe, die ihnen bei dem Weg in die Selbstständigkeit vertrauensvoll und zuverlässig zur Seite stünden. „Die Strukturen der Jugendhilfe haben den jungen Menschen viele Jahre lang Halt gegeben“, weiß Preuß. „Nun aber müssen sie sie verlassen und sich ein Leben in Eigenverantwortung aufbauen. Vor dieser Herausforderung stehen viele Careleaver weitgehend allein.“

+++ Paten sollen bei Wohnungseinrichtung, Jobsuche oder Formularen helfen

Bei dem Schritt in die Selbstständigkeit will der Kölner Kreidekreis nun mithilfe der Projektfinanzierung durch die Aktion Mensch möglichst viele Careleaver im Rheinland unterstützen. „Dafür suchen wir Patinnen und Paten, die wir in mehrteiligen Seminaren ausbilden und dann mit Careleavern zusammenbringen werden“, sagt Preuß. „Ganz ähnlich also, wie wir es seit 2006 schon für Kinder und Jugendliche anbieten.“ Die Patenschaften würden auch nach der Vermittlung zeitlich unbefristet professionell vom Verein begleitet.

Die Paten sollen den Careleavern Gesprächspartner sein, ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen: zum Beispiel bei der Wohnungseinrichtung oder der Jobsuche helfen, mit ihnen Anträge durchackern. „Vielfach reicht es auch schon, den Careleavern ein Vorbild zu sein, an denen sie ihre Lebensgestaltung orientieren können“, meint der Kreidekreis-Vorstand. Der Vertrauensmensch solle vor allem Ansprechpartner und Anker sein. Ein Stück weit könnten die Patinnen und Paten als Ersatz für eine Familie gesehen werden, denn sie übernähmen zahlreiche Funktionen, die in behüteten Familien den Eltern oder Geschwistern zufielen, betont Thomas Preuß.

+++ Einsamkeit fördert Ängste

Der 23-jährige Lukas Dreesbach aus Königswinter ist selbst Careleaver und stimmt dem Kreidekreis-Vorstand zu: „Ich denke, neben dem stigmatisierenden Image des ‚Heimes‘ ist die Einsamkeit für viele Careleaver eines der größten Probleme. Deshalb finde ich das Angebot des Kölner Kreidekreises so toll, den Careleavern über Patenschaften Vertrauenspersonen an die Seite zu stellen, die für einen da sind!“ Einige Careleaver hätten ein ziemliches Redebedürfnis, wenn sie die Jugendhilfe verlassen müssten, meint Dreesbach: „In der eigenen Wohnung sind sie meistens allein, haben oft niemanden mehr. Das fördert natürlich Ängste.“ Viele Careleaver täten sich aufgrund ihrer Erfahrungen schwer, jemand anders zu vertrauen. „Einige driften auch in Depressionen ab – oder bekommen noch schlimmere Probleme.“ Dreesbach vertritt die Regionalgruppe Nordrhein-Westfalen des Careleaver e. V., mit der der Kölner Kreidekreis in dem neuen Projekt eng zusammenarbeitet.

+++ Wirkungskreis Großraum Köln-Bonn-Düsseldorf

„In den nächsten Monaten werden wir uns gemeinsam intensiv damit beschäftigen, welche fachliche Unterstützung erforderlich ist und wie wir sie anbieten können – sowohl für unsere potenziellen Patinnen und Paten als auch für die Careleaver“, kündigte der Kreidekreis-Vorsitzende an. Dazu gehörten zum Beispiel spezielle Workshops zur Haushaltsführung, zu Finanzen, zum Thema Recht oder zur Ausbildung und Jobsuche. „Unsere Vision ist es, den jungen Menschen über eine nicht-familiäre, alternative Bindung bessere Startbedingungen für ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen“, betont Thomas Preuß.

Der Kölner Kreidekreis ist mit seinem Angebot vorwiegend im Großraum Köln-Bonn tätig, mit Schwerpunkten im Rhein-Sieg-Kreis und dem Oberbergischen Kreis. Dabei reicht der Wirkungskreis inzwischen im Norden bis Hilden und Düsseldorf.

In einem Interview, das hier verlinkt ist, erzählt Careleaver Lukas Dreesbach, was Careleaver brauchen und was sie fürchten – und wie die Gesellschaft ihnen helfen kann.