Heute vor 15 Jahren haben wir den Kölner Kreidekreis gegründet. Damals saßen wir in kleiner Runde bei Edeltraud Preuß im Wohnzimmer, die mit ihrer Vereinsidee Freunde und Familienmitglieder an einen Tisch brachte.
„Der Kölner Kreidekreis entstand ursprünglich aus meinen Erfahrungen als Verfahrenspflegerin“, blickt die Vereinsgründerin und Vorsitzende zurück. „Es ging zunächst darum, Kinder aus der Konfliktzone zwischen Eltern, die sich trennen, herauszuholen.“ Darauf zielte auch der Slogan „… zum Wohle des Kindes“ ab.
Im Verlauf der Zeit rückte dann aber eine ganz andere Zielgruppe ins Licht, die Edeltraud Preuß bei ihrer Arbeit als Vormündin näher kennenlernte. „Kinder, die in Einrichtungen der stationären Jugendhilfe leben, wurden oft gesetzliche Vormünder zur Seite gestellt, die viele Kinder betreuten. Als ich eines Tages eines meiner Mündel im Heim besuchte, wurde ich von einem anderen Kind gefragt, warum ich nicht auch zu ihm kommen könnte. Seinen eigenen Vormund kannte das Kind nur flüchtig. Da wurde mir klar, dass es viele Kinder gibt, die niemanden außerhalb des Heimes haben, der sie – und nur sie – besucht.“
Die Projektidee der Wegbegleiter-Patenschaften war geboren. Heute ist sie Ziel und Inhalt der Vereinsarbeit. Und wir haben auch unseren Slogan angepasst: „Kein Kind allein!“
PS: Das Gummibärchen-Bild stammt aus den Anfangsjahren des Vereins, als wir mit alljährlichen Zahl-Schätz-Spielen auf unsere Arbeit in der Region aufmerksam gemacht haben.
Ein kleiner Junge aus Metall sitzt seit kurzem im Vorgarten von Edeltraud Preuß und begrüßt die Besucher des Kölner Kreidekreises. Denn das Büro des Vereins ist in separaten Räumen im oberen Stockwerk untergebracht. Der kunsthandwerkliche Junge sitzt am Rande des Zuweges zum Büro. Seit Corona ist es hier ein bisschen stiller, da die Mitarbeiterinnen des Vereins viel im Homeoffice arbeiten. Wie alle wünschen auch sie sich sehr, dass bald wieder mehr „richtige“ Kontakte möglich sind. Zu den Kolleginnen, zu den Einrichtungen der Jugendhilfe, zu den Kindern und Jugendlichen und ihren Wegbegleiter-Patinnen und -Paten.
Denn dieses Miteinander kann keine Videokonferenz ersetzen. Wir wünschen allen Freunden und Förderern ein gesundes und glückliches neues Jahr mit vielen schönen und wertvollen Momenten!
Und allen Kindern wünschen wir, dass sie nicht allein sein müssen – im Garten oder wo auch immer. Sondern dass jeder einen Menschen findet, der ihn liebevoll durchs Leben begleitet.
In unserer neuen Broschüre „Ein Wegbegleiter für dich“ erklären Kinder anhand einer kleinen Geschichte, was ein Wegbegleiter-Pate des Kölner Kreidekreis ist. Das Heft richtet sich an Kinder und Jugendliche, die in einer Einrichtung der Jugendhilfe leben und keinen, oder nur sehr wenig, Kontakt zu ihrer Familie haben.
Bei der Umsetzung haben Kinder und Wegbegleiter-Paten geholfen. Interessierte können die Broschüre bei uns bestellen.
In diesem Jahr haben wir einige großzügige Spenden erhalten, über die wir uns sehr freuen, und wir konnten neue Mitglieder gewinnen. Seit letztem Monat gehört zum Beispiel auch die Fa. Alsco zu den fördernden Mitgliedern des Kreidekreis. Denn Unternehmen haben die Möglichkeit, uns mit einer Firmenmitgliedschaft zu unterstützen. Allen, die uns auf diese oder andere Weise helfen, Kindern Wegbegleitern an die Seite zu stellen, möchten wir hierfür an dieser Stelle herzlich Danke sagen.
Legendäre Metal-Band unterstützt den Kölner Kreidekreis e.V.
Juni 2019. Am 13. Juni spielte Metallica, eine der erfolgreichsten Metal-Bands der Welt, im Rahmen ihrer WorldWired-Tour im Rheinenergie-Stadion in Köln vor knapp 45000 Zuschauern. Im Vorfeld überreichten die vier legendären Musiker den Mitarbeiterinnen des Kölner Kreidekreises einen Scheck über 20.000 Euro.
Das Team des Kölner Kreidekreises, der Wegbegleiter-Paten für Heimkinder in Nordrhein-Westfalen sucht, hielt es erst für einen sonderbaren Scherz – und brach kurz darauf in Euphorie aus. Mitte Mai trudelte eine E-Mail mit dem folgenden Beginn ein: „Sehr geehrte Damen und Herren, wir vertreten einen großen internationalen Künstler, der im Rahmen seiner Tour unter anderem in Ihrer Stadt für ein Konzert Halt macht. Der Künstler hat es sich zum Ziel gesetzt, in jeder Stadt eine Organisation finanziell zu unterstützen, in Köln wurde Ihr Verein ausgewählt.“
Der Betreff dieser Mail verriet bereits, dass sich hinter diesen Künstlern niemand Geringeres als Metallica verbargen. Die anschließende Kontaktaufnahme bewies, dass es sich weder um einen Scherz noch einen Traum handelte. Im Rahmen ihrer Bemühungen „to give back and share some of our good fortune“, wie es auf der Website der Stiftung heißt, gründete die Band die „All Within My Hands Foundation“. Und nun erhält der Kölner Kreidekreis deren Unterstützung.
„Wir sind noch immer ein bisschen sprachlos“
„Wir sind noch immer ein bisschen sprachlos“, sagt Vereinsgründerin Edeltraud Preuß, „aber auch unendlich froh, dass wir nun dieses viele Geld für die Kinder, in die Professionalisierung unserer Wegbegleiter und in die enge Begleitung der Patenschaften investieren können.“ Projektleiterin Antje Lehbrink ergänzt: „Wer Parallelen zwischen dem Verein und der Band sucht, muss gar nicht so lange suchen! Denn wer sich bei uns als Wegbegleiter bewirbt, formuliert seine Motivation häufig genauso: etwas zurückgeben zu wollen von dem Guten, das ihm widerfahren ist.“ Auch einzelne Zeilen aus dem Welthit „Nothing else matters“ scheinen wie auf die Wegbegleiter-Patenschaften zugeschnitten, allen voran: „Trust I seek and I find in you“ oder „Open mind for a different view“.
Kein Kind allein – getreu seinem Motto kann sich der Verein angesichts der Spende noch intensiver dafür einsetzen, dass Kinder und Jugendliche aus den Einrichtungen der stationären Jugendhilfe von einer konstanten Bezugsperson außerhalb dieser Strukturen bis weit in die Volljährigkeit begleitet werden. Zuverlässig und professionell. “ And nothing else matters.“
Bergisch Gladbach, Mai 2019. Marvin, 10, mag Fußball, Fahrradfahren und Trampolinspringen. In seinem Kinderzimmer hängen Fotos, die ihn im Kreis seiner Freunde und Erzieher zeigen. Marvin lebt im Bethanien Kinderdorf bei Bergisch Gladbach. Der Junge fühlt sich dort wohl, nur eine Sache beschäftigt ihn: „Ich habe keinen Erwachsenen, mit dem ich am Wochenende ins Stadion gehen könnte. Es wäre so cool, jemanden zu haben, der wie ich auch FC-Fan ist.“ Dieser „Jemand“ fehlt in Marvins Leben. Ein Wegbegleiter-Pate könnte die Antwort sein.
Vergessener Zahn
Marvin lebt seit vier Jahren in Bethanien. Er ist ein aufgeweckter Junge. An der Tür zu seinem Zimmer hängt ein Poster von Harry Potter, auf dem Fußboden neben dem Bett hat er eine Legostadt aufgebaut. Als die Reporter ihn besuchen, kommt er gerade vom Zahnarzt zurück. Dass ihm ein Zahn gezogen wurde, hat er schon fast wieder vergessen. „Wo ist meine Sporthose hin?“, fragt er seine Betreuerin. Wo wohl? „Im Schrank natürlich“, sagt Annika S. und schmunzelt. Typisch Marvin. Nach dem Mittagessen will er so schnell wie möglich an die frische Luft. Links neben dem Eingang des Kinderdorfes liegt der große Fußballplatz. Markus Herrmanns vom Pädagogischen Fachdienst trainiert an diesem Nachmittag mit den Jungs für den „Kido-Cup“, ein Turnier der Kinderdörfer, das im Sommer ausgetragen wird.
Männliches Vorbild vonnöten
Marvin hat mit seiner Mutter meist nur telefonisch Kontakt. Den Vater kennt er nicht. Ihm fehlt eine männliche Bezugsperson. Genau wie in anderen pädagogischen Einrichtungen überwiegt auch im Bethanien Kinderdorf der Anteil der weiblichen Betreuer. „Es wäre wichtig, dass Marvin einen Mann als Vorbild hätte“, sagt Herrmanns. „Der zeigt, dass es für Männer normal ist, zu Hause mit anzupacken. Männer können genauso gut aufräumen, putzen und einkaufen“, erklärt der Betreuer. „Und kochen?“, fragt Marvin. Das gilt es herauszufinden.
Marvin gehört zu den Kindern, die vom „Kölner Kreidekreis“ betreut werden. Derzeit suchen einige Jungs wie er nach einem Wegbegleiter-Paten. Der Verein vermittelt seit 13 Jahren Patenschaften zwischen Heimkindern ohne Elternkontakt und erwachsenen Wegbegleitern.
1700 Heimkinder in der Region
Im Großraum Köln/Bonn leben etwa 1700 Kinder in Heimen. Ein Teil von ihnen hat keinen oder nur sporadisch Kontakt zur Herkunftsfamilie. Wenn andere am Wochenende abgeholt werden, bleiben sie allein zurück. „Manche haben nie erfahren, was verlässliche Zuwendung bedeutet“, sagt die Erste Vorsitzende des Vereins, Edeltraud Preuß.
Wie funktioniert eine Patenschaft? „Die Erwachsenen besuchen die Mädchen und Jungen in der Einrichtung, holen sie für Aktivitäten ab und nehmen sie mit zu sich nach Hause, um mit ihnen Alltag außerhalb der Jugendhilfe zu leben“, sagt Preuß. Auf diese Aufgabe bereitet der Verein sie umfangreich vor und begleitet sie währenddessen. Die Paten arbeiten ehrenamtlich, müssen den Kindern Respekt, Vertrauen und Wertschätzung entgegenbringen.
Bruchrechnung und FC
Marvin wechselt in diesem Sommer von der Grundschule auf die Nelson-Mandela-Gesamtschule. Ein großer Schritt in seinem Leben, der neue Herausforderungen mit sich bringt. Zum Beispiel, dass er in Mathe gut mitkommt. Ideal wäre vielleicht, wenn sein Pate sich nicht nur für den FC, sondern auch für Bruchrechnung und Geometrie interessieren würde.